„Die Rückkehr des Raubtier-Kapitalismus“ (Handelsblatt 24. Januar 2025)

In seiner Berichterstattung über das Weltwirtschaftsforum in Davos fragt das Handelsblatt auf dem Titelblatt noch „Bringt Trump der Welt den Raubtier-Kapitalismus zurück?“. Auf der Innenseite wird aus der Frage eine Feststellung. Hinter der gigantischen Rhetorik verbirgt sich zweifellos die Sorge vor einer tiefen Krise des US-Imperialismus, einer Todeskrise, die die Welt in den Abgrund zu reißen droht. Noch können nicht alle Elemente zusammengefügt werden, noch wissen wir nicht, wie weit Trump sein Programm gegen die Widerstandskräfte in den USA und auf allen Kontinenten wird umsetzen können. Hier einige ersten Überlegungen.

Vor genau 80 Jahren, 1945, nach der faschistischen Barbarei und dem 2. imperialistischen Weltkrieg, schrieb das Komitee der demokratischen Sozialisten des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald in seinem Manifest: „Überzeugt, dass die letzte Ursache zu diesem ungeheuerlichsten aller Kriege in der Raubtiernatur der kapitalistischen Wirtschaft, des finanzkapitalistischen Imperialismus, … liegt, fordern wir, dass den Gesellschaftskrisen durch eine sozialistische Wirtschaft ein absolutes Ende gesetzt wird. Deutschland kann ökonomisch nur auf sozialistischer Grundlage wieder aufgebaut werden.“

Hinter der Offensive des von Krisen erschütterten US-Imperialismus offenbart sich heute erneut – 80 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs – die „Raubtiernatur der kapitalistischen Wirtschaft, des finanzkapitalistischen Imperialismus“.  Die Arbeiterbewegung steht weiterhin vor der Frage, wie sie von Rosa Luxemburg schon anlässlich des 1. Weltkriegs gestellt wurde: „Sozialismus oder Barbarei?“.

Der Krieg in der Ukraine

Im Rahmen des Ukraine-Kriegs hat der US-Imperialismus einen erbarmungslosen Wirtschaftskrieg entfesselt. Die Sanktionspolitik der US-Regierung, der die Regierung Scholz in Vasallentreue folgt, richtet sich besondere gegen Deutschland. Der Wegfall der Energieimporte Russlands beschleunigen den Prozess der Deindustrialisierung, der Umwandlung der produktiven Industrie in destruktive Kriegsproduktion. Die Milliarden Kriegs- und Rüstungskosten, die Inflation – in Folge des Krieges – bezahlen die Arbeiter*innen mit Reallohn- und Arbeitsplatzverlusten, mit einschneidendem Sozialabbau.

Die Wirtschaft stagniert, „bislang fehlen etwa 5,5 Prozent der zuvor erwarteten Wirtschaftsleistung. Überschlägig entspricht dies 240 Milliarden Euro“. (Bert Rürup, Handelsblatt, 24.-26.01.2025) Inzwischen ist Deutschland in einer Rezession, wie seit 20 Jahren nicht. Besonders gravierend ist die Krise in der Industrie, allein letzten Jahr ging es um 3 Prozent bergab (Süddeutsche Zeitung, 16.01.2025).

Deutschland, das von Anfang an Kriegspartei in diesem Krieg war, bezahlt einen hohen Preis mit der Zerrüttung des Sozialstaats und der Demokratie.

Trumps Programm für Europa: Wirtschaftskrieg

Das Programm von Trump umfasst zwei zentrale Punkte.

Der erste Punkt: Das Aufrüstungsziel soll von 2 % des BIPs auf 5 % gesteigert werden. Das zwei Prozent-Ziel von 90 Milliarden hat die Scholz-Regierung nur dadurch erreicht, dass die 52 Milliarden aus dem Wehretat mit Mitteln aus dem Sondervermögen ergänzt wurden. 5 % des BIP, die Zielmarke, die Trump vorgegeben hat, wären etwas mehr als 200 Milliarden Euro aus dem Haushalt. Damit würden ca. 40 bis 50% des Bundeshaushalts in die Rüstung fließen. Hauptgewinner wären die USA.

Der zweite Punkt ist noch dramatischer. Das Handelsbilanzdefizit zwischen USA und Deutschland umfasst derzeit ca. 90 Milliarden Euro (Ifo-Institut). Trump verlangt den Ausgleich, wenn nicht, dann droht er mit hohen Zöllen. Trump schwärmt, Zölle seien der „schönste Begriff im Wörterbuch“. Das ist die Sprache des Wirtschaftskriegs.

In Deutschland hängen 1,2 Millionen Arbeitsplätze an Exporten in die USA. Trumps Zölle könnten 300.000 Arbeitsplätze vernichten (Prognos-Institut).

Aus einem regulierten Wettbewerb wird ein offener Handelskrieg, der sich jederzeit in einen offenen Krieg verwandeln kann.

So rief Trump in Davos den Unternehmern zu „Kommt nach Amerika, wir haben die niedrigsten Steuern.“ Der Einladung folgte die Drohung mit den Zöllen.

Und die Reaktion der europäischen Konzernherren? Keiner wagte auch nur einen Hauch an Kritik. Und aus der Politik: NATO-Generalsekretär Mark Rutte, sagte auf dem Weltwirtschaftsforum: „Das ist der Weg nach vorn.“

Olaf Scholz mahnte zwar noch, „Wir Europäer müssen aus uns selbst heraus stark sein“, aber niemand wollte ihm zuhören. Friedrich Merz, der schon als zukünftiger Kanzler gefeiert wird, will darüber „nachdenken“, „welche Angebote“, Europa den USA machen könne.

Die Präsidentin der EU-Kommission, von der Leyen, warnt Trump zwar vor einem Handelskrieg mit Europa, wirbt aber in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum gleichzeitig für eine enge Kooperation mit den USA. So wird in Brüssel überlegt, ob Trump mehr Waffen, Gas und Autos abgekauft werden können. Andere Wirtschaftsexperten, wie Jürgen Matthes (IW), schlagen vor, mit Gegenzöllen zu reagieren, Pläne, die schon EU-Schubladen liegenwürden. Das hieße wohl, das Feuer mit Benzin zu löschen.

Und welches Europa will Trump die Stirn bieten? Ein Macron, der keine Mehrheit im Volk hat, ein Scholz, der faktisch abgewählt ist? Schon die bisherige Politik von Scholz und Macron, bereit unter dem Diktat des krisengeschüttelten Kapitals die Errungenschaften massiv anzugreifen, hat ihre Regierungen an dem Rand des Abgrunds gebracht.

Trump will Regierungen autoritären Charakters in Europa erzwingen, um die Interessen des US-Kapitals durchzusetzen. Dafür steht Musk: »Nur die AfD kann Deutschland retten«. Merz verspricht eine solche Regierung unter CDU-Führung, die letztlich keine Brandmauer von den wirtschafts- und sozialpolitischen AfD-Vorstellungen trennen wird. FDP-Chef Lindner ist seinerseits sehr deutlich: seine Vorbilder sind Elon Musk und der Kettensägen-Präsident Argentiniens, Milei, der seit seiner Amtsübernahme innerhalb etwa eines Jahre 35.936 Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlassen hat.

Habeck (Grüne) empfiehlt sich als Rüstungsindustrieminister. Er kommt Trump einen ersten Schritt entgegen und fordert Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5% des BIP, das sind 147 Mrd. Euro. Zu finanzieren wäre eine solche Summe über gekürzte Sozialleistungen.

Auf dem Prüfstand stehen alle Errungenschaften der Arbeiterbewegung, die Gewerkschaftsrechte, ja die demokratischen Rechte und Freiheiten selbst.

Gegen diese große Offensive auf die Errungenschaften beginnt sich der Widerstand zu formieren. Schon die sozialzerstörerische Kriegspolitik von Olaf Scholz hatte die größte Streikwelle seit Jahrzehnten ausgelöst. Ein harter Tarifkampf im Öffentlichen Dienst kündigt sich an. So sind die die Kolleg*innen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gerade in einen 24-stündiden Streik getreten. In dieser Zeitschrift haben wir wiederholt über die zunehmenden Proteste und Demonstrationen gegen die Kaputtsparpolitik der Kommunen und Länder, gegen die Zerstörung der Krankenhäuser, der Schulen, des Öffentlichen Nahverkehrs … berichtet.

Gotthard Krupp

Veröffentlicht in Soziale Politik & Demokratie Nr. 522 vom 30. 01.2025

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