Das Programm der neuen Regierung unter Kanzler Merz

… unter den Bedingungen der Trump-Offensive

(Dieser Artikel wurde vor der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags von Union und SPD geschrieben.)

Trump verlangt die völlige Unterwerfung aller Regierungen – und besonders der imperialistischen Länder Europas – unter seine Kriegs- und Krisenpolitik.

US-Außenminister Rubio hat auf der NATO-Tagung Anfang April noch einmal unmissverständlich von den Mitgliedstaaten gefordert, die Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben.

Für eine CDU-AfD-Regierung, wie sie Trump/Musk für Deutschland anstreben, ist die Zeit politisch noch nicht reif. Die Herausbildung einer demokratiefeindlichen Regierung autoritären Charakters, die mit allen sozialstaatlichen Errungenschaften bis zu Ende aufräumen und ihren Platz in der weltweiten Kriegspolitik unter Führung des US-Imperialismus einnehmen soll, wird voraussichtlich eine zukünftige Regierung von Union und SPD unter Kanzler Merz übernehmen müssen.

Von der wütenden Ablehnung ihrer sozialzerstörerischen Kriegspolitik durch die gesellschaftliche Mehrheit profitiert die AfD mit ihrem Höhenflug.

Trumps verschärfter Wirtschaftskrieg

Mit den von Trump verordneten Zöllen drohen der deutschen Wirtschaft erhebliche Exporteinbußen in die USA. Der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies weist auf Berechnungen des ifo- Instituts hin, dass die deutschen Exporte in die USA um rund 15 Prozent sinken, die Wachstumsaussichten deutlich runtergehen werden und die Rezessionsgefahr steigen wird.

Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) warnt: „Die Zölle werden wir in Preissteigerungen umsetzen müssen, und das bedeutet in vielen Fällen einen Umsatzrückgang“. Der ohnehin schon alarmierende Stellenabbau besonders in der Industrie wird auf einen neuen Rekord steigen.

Nach zwei Jahren Rezession droht der deutschen Wirtschaft nun auch 2025 ein Krisenjahr, Investitionen und Exporte gehen zurück. In der Industrie planen nur 22 Prozent der Betriebe mehr Investitionen, während fast 40 Prozent sie zurückfahren. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK sieht in der Entwicklung „ein klares Zeichen einer Deindustrialisierung“.

Während in vielen Unternehmen Alarmstimmung herrscht, wollen die Politiker von Union und SPD mit der Beschwörung einer „Agenda für mehr Wachstum“ (CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann) über die katastrophale Entwicklung hinwegtäuschen. Das erinnert fatal an den Noch-Bundeskanzler Scholz, der – konfrontiert mit dem historischen Fall des Wirtschaftswachstums in Deutschland – wiederholt die Lüge eines „Wachstumsturbos“ auftischte.

In diesem Kontext wird von den Unionsparteien eine radikale Wende der Regierungskoalition in der Wirtschafts-, Sozial-, Migrations- und Kriegspolitik gefordert. Eindeutig diktiert das Kapital seine Interessen und will die noch stärkere Einbindung der Gewerkschaftsführungen, um den zu erwartenden Widerstand besonders in der Arbeiterschaft einzudämmen.

Flucht in die Kriegswirtschaft

Tatsächlich haben schon unter der Ampel-Regierung milliarden-schwere staatliche Investitionen in die destruktive Kriegswirtschaft auf Kosten der Investitionen in die schrumpfende produktive industrielle Produktion für das Kapital ein Wachstum staatlich finanzierter Rüstungsprofite eröffnet. Ein Kurs, dessen Weiterführung auch der Kanzler in spe Merz mit dem Paket unbegrenzter Kriegskredite der Kriegsindustrie zusichert.

Rheinmetall, KNDS, Hensoldt und Renk stellen ihre Produktion bereits um und verhandeln mit Unternehmen aus der zivilen Produktionsbasis über Werksübernahmen. So plant Rheinmetall, ein VW-Werk für Panzerproduktion zu übernehmen – das ist nur ein Beispiel.

Deutschlands Wirtschaftsexpertenhaben klare Vorstellungen, wie es weitergehen muss. Und ganz in ihrem Sinne fordert Merz konsequent, dass die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Zentrum stehen muss. Es braucht harte Reformen, um Deutschland dauerhaft auf Kurs zu bringen. Dazu gehören: Entlastungen bei Unternehmenssteuern, Energiepreisen, Sozialversicherungsbeiträgen, „Bürokratieabbau“ für die Unternehmer oder der Kahlschlag im öffentlichen Dienst.

Beispiel Tarifkampf Öffentlicher Dienst…

Das Regierungsdiktat hieß von Anfang an: Reallohnsenkung, Aushöhlung der Flächentarifverträge und des Arbeitszeitgesetzes und der tarifvertraglich und gesetzlich festgelegten Arbeitszeit.

In einem harten Tarifkampf haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ihre Kampf- und Streikbereitschaft unter Beweis gestellt: für die Verteidigung der Reallöhne und Kaufkraft (angesichts steigender Preise für Lebensmittel), für mehr Personal. Für die Verteidigung des Flächentarifvertrags TVöD in Bezug auf Verkürzung der Arbeitszeit und Entgelt.

Gegen großen Widerstand will die Gewerkschaftsführung die Beschäftigten dem Schlichtungsergebnis unterwerfen, das aus der Feder des für seine arbeitnehmerfeindliche Politik bekannten ehem. hessischen Ministerpräsidenten und Freund von Merz, Roland Koch, stammt. Die Arbeitgeber jubeln, ebenso der Bundeskanzler in spe, Merz: „Es wird das erste Mal seit vielen Jahren … über Arbeitszeitverlängerung gesprochen … Das ist genau das, was wir erreichen wollen.“ (siehe Artikel auf Seite 4-5)

Beispiel „Bürokratieabbau“…

auch zu übersetzen mit Deregulierung/ Abbau von Verwaltung und Rechtsnormen zugunsten der Unternehmer. Schon im Oktober 2024 hatte Merz angekündigt: Wenn er Bundeskanzler wird, will er einen sofortigen Einstellungsstopp für die staatliche Verwaltung verhängen (auf dem Deutschlandtag der Jungen Union).

Die Union wird in der Verhandlungs- gruppe „Finanzen und Haushalt“ konkret: „Wir wollen in der Ministerialverwaltung und in der Bundestagsverwaltung mit mindestens 20 Prozent weniger Personal auskommen, die entsprechenden Stellen streichen und damit einen wichtigen Beitrag für einen schlanken Staat leisten.“ Doch wie die USA unter Präsidentschaft Trump/Musk oder auch Milei, der Präsident Argentiniens, vorgeben, ist mit „Bürokratieabbau“ vor allem die Zerschlagung des Staatswesens selbst gemeint. Philipp Amthor (CDU) soll an der Spitze einer neu zu schaffenden Behörde stehen, die den Bürokratieabbau in Deutschland vorantreibt. Ihm wird in Medien bescheinigt, dass er mit seinem Faible für KI, Antihumanismus und Lobbyarbeit in eigener Sache dafür garantiert, der deutsche Elon Musk zu werden.“

(Zum Beispiel Bürgergeld, dessen Ziel die weitere Ausweitung prekärer Arbeit, des Niedriglohnsektors ist, siehe Artikel auf Seite 12.)

Billionen-Kriegskredit bezahlt mit einer Rosskur für den Sozialstaat

In einer Umfrage des Münchener Ifo-Instituts unter 205 Wirtschaftsprofessoren befürworten zwar über 70 Prozent mehr Schulden etwa für das deutsche Militär, gleichzeitig mahnen aber 65 Prozent Einsparungen an, um den regulären Verteidigungshaushalt zu finanzieren. Dabei stehen Einsparungen an den Sozialbeiträgen, oder auch eine drastische Erhöhung des Renten- und Pensionseintrittsalters im Zentrum der Begierde des Kapitals.

Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, sieht vor allem die sozialen Sicherungssysteme als zunehmende Belastung für die Arbeitgeber. Besonders die Gesundheitskosten müssen runter, zu viele Krankenhäuser würden die Gesundheitsversorgung verschlechtern. (!) Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert „Reformen der Sozialsysteme“ und „Bürokratieabbau“.

Merz entspricht den Interessen des Kapitals und der Arbeitgeber: Er fordert ausdrücklich die „Rosskur“ für den Sozialstaat. Wegen „überbordender Sozialausgaben“ müsse man in Deutschland „alles auf den Prüfstand stellen“.

Abbau der Demokratie

Die Politik des sozialen Kahlschlags gegen den Willen des Volkes durchzusetzen, verlangt unvermeidlich die Bildung einer Regierung autoritären Charakters, die mit immer massiveren Angriffen auf die Demonstrations-, Meinungs- und Versammlungsfreiheiten, auf Veranstaltungen besonders in Universitäten und Schulen den Widerstand unterdrücken will. Die Scholz-Regierung hat mit ihren vielfältigen Angriffen auf die o.g. demokratischen Grundrechte und mit repressiven Gesetzen, wie dem „Sicherheitspaket“ und der „Antisemitismus“-Resolution, den Weg schon gebahnt. Die Unionsparteien drängen besonders unter Leitung von Philipp Amthor darauf, das Informationsfreiheitsgesetz abzuschaffen (siehe Seite 14).

Aus für das Asylrecht

Welchen Weg Merz hier gehen will, zeigt sein gemeinsamer Vorstoß mit der AfD für das   „Zustrombegrenzungsgesetz“.

Schon die Ampel-Regierung unter Scholz – wie auch die frühere Regierung der Großen Koalition – haben das Asylrecht unter Missachtung der Menschenrechte weitgehend ausgehöhlt. Union und SPD setzen auf eine Politik der massiven Verschärfungen für Schutzsuchende, mit den geplanten Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, der Aussetzung des Familiennachzugs… unter Verletzung des Völkerrechts und Grundwerte.

Eine Regierung gegen den Mehrheitswillen des Volkes

In den Koalitionsverhandlungen gibt es kaum Maßnahmen für eine Politik im Interesse der gesellschaftlichen Mehrheit. Diese trifft vielmehr der „Kürzungshammer“ bei wichtigen Ausgaben für die Bürgerinnen und Bürger.

Schwarz-rot beginnt zu einer „Sänfte ins Kanzleramt für die AfD“ zu werden (Sahra Wagenknecht). Diese Politik hat – wenn auch in milderer Form – schon für die Regierung unter Scholz zur größten historischen Ablehnung geführt. Die geplanten nochmals verschärften Angriffe auf alle sozialen Lebensbedingungen, steigende Arbeitslosigkeit und zunehmende Verarmung immer größer Schichten der Bevölkerung, bei unbegrenzten Kriegskrediten und fetten Profiten für die Rüstungskonzerne, Militarisierung des Lebens, Verurteilung der Jugend, als Kanonenfutter an der Front zu dienen und zu sterben – das wird unweigerlich größeren Widerstand provozieren.

Dass das Manöver gelingen konnte, mit dem BSW die einzige politische Stimme gegen den Krieg und für soziale Gerechtigkeit aus dem Bundestag zu verjagen, wird diese Stimme im Volk nicht ersticken(*). Ein Signal werden die kommenden Ostermärsche setzen können.

Carla Boulboullé, 8. April  2025

Veröffentlicht in Soziale Politik & Demokratie Nr. 526 vom 10. April 2025

Anmerkung

*) Nur zur Erinnerung: auch die Linkspartei hat die Durchsetzung der Kriegskredite ermöglicht; überall wo sie in Regierungsverantwortung war oder ist, hat sie die Kaputtspar- und Privatisierungspolitik mit umgesetzt. Im Bundestag sind also die fünf etablierten Parteien der kriegstreibenden, sozialzerstörerischen und antidemokratischen Politik unter sich (!) – und die Gewerkschaftsführungen und -apparate geben die notwendige Unterstützung für die neue Regierung unter Kanzler Merz.

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