Die Verfallskrise des imperialistischen Weltsystems, die sich in der Krise der USA konzentriert, erschüttert die deutsche Wirtschaft und den Sozialstaat mit immer größerer Wucht.
In seiner ersten Regierungserklärung am 14. Mai hat der erst im zweiten Wahlgang gewählte Bundeskanzler Merz verkündet: „Die Menschen sollen schon im Sommer spüren: Es geht voran“. Und „Wir wollen regieren, um das Versprechen vom Wohlstand für alle zu erneuern“.
Doch am 7. Juni warnt das Handelsblatt: „Deutsche Industrie baut 100.000 Jobs binnen eines Jahres ab. Die Wirtschaftskrise hinterlässt Spuren in der Industrie“. Am 18. Juli bilanziert die Berliner Zeitung: „Es brennt im Land“.
Ende August steigt die Zahl der Arbeitslosen auf über 3 Millionen. Als Wunderwaffe bietet „BlackRock-Kanzler“ Merz den „Herbst der Reformen“ an – einen Gewaltakt für „Reformen“ zur „Begrenzung der Sozialausgaben“! Denn: „Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten … Das wird schmerzhafte Entscheidungen bedeuten“.
Die „Reform“politik von Merz umfasst andererseits milliardenschwere Subventionspakete für die Wirtschaft, sowie die Ausweitung der Kriegswirtschaft, d.h. die Umwandlung von ziviler Produktion in Rüstungsproduktion.
Ein Ausweg aus der Krise und Stopp der schleichenden Deindustrialisierung?
Einige Betriebe flüchten, wie zum Beispiel jetzt auch Porsche, in die Rüstungsproduktion, und Rüstungskonzerne weiten ihre Produktion aus, eröffnen auch neue Betriebe. Doch insgesamt geht die Wirtschaft bergab. Einige Ökonomen stellen inzwischen „verwundert“ fest, dass das eherne Gesetz nicht mehr gilt, dass zusätzliche Staatsausgaben die Wirtschaftsleistung ankurbeln. Das Handelsblatt Research Institute (HRI), erklärt sogar, dass die Ausweitung der Rüstungsproduktion, statt neuen Wohlstand in Deutschland zu erzeugen, dieser sogar „vernichtet“ werde. Hatte nicht schon Karl Marx prognostiziert, dass sich im Kapitalismus unausweichlich die Produktivkräfte, Ausdruck des gesellschaftlichen Reichtums, in Destruktivkräfte wandeln werden, wofür die Rüstungsproduktion steht?
Es entstehen zwar Staatsausgaben, da aber bei den Rüstungsgütern die Importquote sehr hoch ist, fördern sie nur bedingt die heimische Produktion. Der Dank von Trump für den Nachfrageschub an die US-Rüstungsindustrie ist der deutschen Regierung gewiss.
„Jobmotor Rüstungsindustrie“?
Die Bundesregierung will mit dieser neuen massiven staatlichen Nachfrage nach Rüstungsgütern auch die heimischen Konzerne beglücken. Doch wegen fehlender Produktionskapazitäten ist der Haupteffekt steigender staatlicher Nachfrage zunächst die Erhöhung der Preise. Das erhöht zwar den Profit der Konzerne, vor allem aber werden 100.000e in der produktiven Industrie wegfallende Arbeitsplätze nicht ersetzt werden können. Selbst wenn man der Simulation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung folgt, dass durch höhere Verteidigungsausgaben insgesamt 200.000 neue Jobs entstehen könnten, bleibt es verwegen, auf einen »Jobmotor Rüstungsindustrie« zu hoffen. Die Zahl der Industriebeschäftigten sank nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Zeitraum von 2019 bis 2024 – ausgehend von 7,53 Millionen – um 330.000. Und Entlassungswellen drohen erst noch. Allein im Februar wurden laut der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr 125.000 Industriearbeitsplätze abgebaut. Die Rüstungsbranche bietet für die Mehrheit der entlassenen oder von Entlassung bedrohten Industriearbeiter keinen Platz.
Der Sozialstaat wird in den Ruin getrieben
Da die Regierung für die meisten Ausgaben Kredite aufnehmen muss, d.h. sie schuldenfinanziert, wie auch die unbegrenzten Kriegskredite, steigen mit den verstärkten Staatsausgaben die Zinsen, die der Staat auf allen Ebenen bezahlen muss. Ob in Kommune, Land und beim Bund, bei allen steigen die Zinsausgaben. Dabei ächzen die Städte und Gemeinden 2024 mit fast 25 Mrd. € schon unter dem höchsten kommunalen Defizit seit 1990. Sie wissen nicht mehr, wie sie Kitas, Schulen, Schwimmbäder, Krankenhäuser, Nahverkehr… finanzieren sollen. (Die Verschuldung der Kommunen liegt bei 170,5 Milliarden Euro.)
Doch die steigenden Zinsen haben einen noch einen ganz anderen Effekt: die Anlage in Staatspapieren lohnt sich wieder, und so fließt wieder mehr Kapital in die Spekulation als in die Investition in zivile Produktion, in die soziale Infrastruktur.
Erinnern wir uns: Merz verspricht „Wohlstand für alle“. Allein um den Zinserhöhungen entgegenzuwirken, müssen die Staatsausgaben gesenkt werden und wo? Es bleiben wieder nur die Bereiche der Öffentlichen Daseinsvorsorge, die Schulen, Kitas, Wasserbetriebe, Öffentlicher Fern- und Nahverkehr, die Krankenhäuser und die Sozialausgaben.
… der Krieg gegen Russland wird vorbereitet
Merz „Whatever it takes“, ergänzt durch Klingbeils „no limit“ für die Aufnahme von Rüstungskrediten, also „grenzenlose Aufrüstung und Kriegsvorbereitung“ setzen ein Signal: Sie bereiten Deutschland auf einen Krieg in den nächsten Jahren vor. Dabei wird der Gegner klar benannt, nämlich Russland, gegen dessen angeblicher Offensive unter Putin wir uns verteidigen müssten.
Truppenverlegungen nach Litauen, die Planung von Bodentruppen in der Ukraine, als „Friedenstruppen“ getarnt, Militarisierung der gesamten Gesellschaft, z.B. die systematische Reorganisierung des Gesundheitswesens entsprechend der Kriegsanforderungen, sind eine neue Qualität.
Die Forderung „Stopp der Hochrüstung“ erfasst nur die halbe Wahrheit. Es geht um die Vorbereitung auf den Krieg. Eine Brücke oder Straße wird dann saniert, wenn sie damit „panzertauglich“ gemacht werden kann. Während die öffentliche Bildung weiterhin zerfällt, werden die Pläne zur Rekrutierung neuer Soldaten in den Schulen zunehmend umgesetzt. Krankenhäuser werden umstrukturiert, um sie auf den „Ernstfall“ vorzubereiten. Das gerade verabschiedete neue Gesetz zum „Kriegs“dienst bereitet die Jugend als zukünftige Soldaten auf den Fronteinsatz vor, um zu Töten und getötet zu werden. Deutsche Soldaten könnten wieder russische Soldaten töten, so Kriegsminister Pistorius.
In den Eckwerten zum Bundeshaushalt 2026 bis 2029 (24.6.2025) stellt die Bundesregierung ihre Prioritätenliste klar: 1. Investitionen und Aufrüstung, 2. „Strukturreformen“ zugunsten der Unternehmen und 3. Konsolidierung, Ausgabenbegrenzung.
Da ist kein Platz mehr für die sozialstaatlichen Errungenschaften.
DGB: Vereinbarkeit von Krieg und Sozialstaat
In seinem Aufruf zum Antikriegstag erläutert der DGB, worum es bei der „Verteidigungsfähigkeit eigentlich geht“: „nämlich um die Verteidigung … unseres Modells der Sozialen Marktwirtschaft.“(!) Der DGB tritt auf als Verteidiger der kapitalistischen „sozialen Marktwirtschaft“, zu der sich nicht einmal das Grundgesetz bekennt. Und gegen wen muss sie verteidigt werden? „Gegen die unmittelbare militärische Bedrohung durch Russland“, „gegen den autokratischen Staatskapitalismus Chinas“, und den „Big-Tech-Radikalkapitalismus US-amerikanischer Prägung.“ Und diesen Drei- Fronten Krieg soll Deutschland führen? Was für ein Wahnsinn.
DGB-Chefin Yasmin Fahimi begrüßte am 1. Mai explizit das Sondervermögen der neuen Regierung, mit dem Deutschland „kriegstüchtig“ gemacht werden soll.
Gleichzeitig bekennt sich der DGB zu starken sozialen Sicherungssystemen, einer gut ausgebauten öffentlichen Daseinsvorsorge, einem leistungsfähigen Bildungssystem … Das dürfe nicht durch Rüstungsausgaben gefährdet werden, denn es würde die Angreifbarkeit unserer Demokratie von außen und innen erhöhen.
Erhalt der sozialstaatlichen Errungenschaften, bei Unterstützung der kostenintensiven Kriegspolitik von Merz – wie das gelöst werden soll, das bleibt ein Geheimnis des DGB. „Man kann nicht erfolgreich für soziale Forderungen kämpfen, ohne die Kriegspolitik und Kriegsvorbereitung der Regierung Merz zu bekämpfen,“ schreibt das Berliner AGBSW in einem Flugblatt zur Kaputtsparpolitik des Berliner Senats.
Die Kriegsvorbereitung verlangt ein klares „Nein“ der Gewerkschaften.
Der Regierung Merz / Klingbeil in den Arm fallen.
Nein zu Krieg – Nein zum sozialen Krieg, für diese Forderungen haben sich anlässlich des Antikriegskriegstags am 1. September Tausende im ganzen Land versammelt, auf Kundgebungen, Diskussionsversammlungen und Demonstrationen.
Das muss der Auftakt sein für den heißen Herbst gegen Krieg und Völkermord. Deshalb unterstützt die Kundgebung am 13.9. in Berlin:
„Wir verurteilen Kriegsverbrechen, egal ob sie in der Ukraine, in Gaza, im Iran oder anderswo begangen werden.
Unter jedem Krieg leiden nicht die, die ihn befehlen, sondern unschuldige Frauen, Männer und Kinder. Gaza ist heute der größte Kinderfriedhof der Welt. (…) Jeden Tag weinen hunderte russische und ukrainische Familien, weil sie erfahren, dass ihre Söhne, Brüder und Väter in einem sinnlosen Krieg zerfetzt, verbrannt oder verstümmelt wurden.
Wir lassen uns nicht einreden, dass Krieg das neue Normal ist, das irgendwann auch wieder zu uns kommt. (…) Wir wollen nicht zu einem Krieg mit einer Atommacht ertüchtigt werden, den wir alle nicht überleben würden. (…)
WIR FORDERN:
➔ Einen sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen in Kriegsgebiete! Waffen beenden keinen Krieg. Wer die Netanyahu-Regierung weiter unterschützt, trägt Mitschuld an einem Völkermord. Wer der Ukraine doch noch Taurus liefert, holt den Krieg nach Deutschland. (…)
Deutschland braucht keine Reaktivierung der Wehrpflicht und keine US-Mittelstreckenraketen, die uns im Konfliktfall zum ersten Ziel nuklearer Präventivschläge machen. (…)“
Macht diese Kundgebung am 13. September zum Auftakt für die Großkundgebungen am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart „‚Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!‘
Lasst uns dafür eine politische Kraft aufbauen!
Gotthard Krupp, 2.9.2025