BDI-Chef Leibinger klagt, im Parlament gibt es keine Mehrheit für den von Bundeskanzler Merz angekündigten „Herbst der Reformen“ (Deutschlandfunk). Sein Vertrauen in die Regierung sei erschüttert, die Lage der Wirtschaft sei sehr kritisch und das Modell der deutschen Industriemacht zerbreche gerade.
Doch Bundeskanzler Merz verspricht in seiner Rede zum Kanzleretat weiter Wirtschaftswachstum und Förderung der Investitionen. Damit werde man den Standort Deutschland stärken und die Lebensqualität für die Menschen steigern. Diese Regierung „betreibt Wählertäuschung in großem Maßstab“, kommentiert „Der Spiegel“ vom 13.11.2025.
Das Diktat des Kapitals: drastischer Sozialabbau
– denn ein übermäßiger Sozialstaat beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Lohnnebenkosten, belaste die Unternehmer und die Sozialleistungen wiederum belasten den Bundeshaushalt.
Merz fürchtet noch mehr Widerstand der Bevölkerungsmehrheiten: „Heute beobachten wir sehr viel Angst vor Veränderungen.“ (FAZ, 17.10. 25). Er klagt gleichzeitig in dem Interview: „Wir haben es in Teilen mit einer blockierten Republik zu tun.“ „Viele im Land fürchten, dass es ihnen in Zukunft schlechter gehen könnte…. für eine Regierung, die grundlegende Veränderungen durchsetzen will, ist es heute schwerer.“
Grundlegende Veränderungen? Statt Sozialstaat – Kriegswirtschaft
In unserer letzten Ausgabe schrieben wir: „Das von Merz/Klingbeil gepriesene „Wirtschaftswachstum“ meint: grenzenlose Förderung der Kriegswirtschaft – finanziert durch die Zertrümmerung des Sozialstaates.“ Die Rüstungsausgaben sollen bis 2026 auf insgesamt rund 108 Milliarden Euro klettern. Aber der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar (Merz).
Diesen Kurs will die Regierung unter Merz/Klingbeil gnadenlos umsetzen.
Doch während die Milliarden für Rüstung und Subventionen an die Konzerne fließen, scheitert die geplante große Herbst-„Reform“welle (Sozialstaats“reform“, Bürgergeld, Rente) und wird in Kommissionen verlagert.
Das Kapital beklagt den Rückstau. Das Vertrauen sei inzwischen zerbrochen, klagt der BDI; die Regierung habe keine Mehrheit im Volk und weicht davor zurück. Für die Durchsetzung seiner Forderungen braucht das Kapital eine Regierung von entschieden autoritärem Charakter. Genau das muss das Kapital von der Regierung Merz/Klingbeil erzwingen.
„Wir haben verstanden“, Arbeitsministerin Bärbel Bas signalisiert für die SPD-Fraktion eine entsprechende Bereitschaft und kann sich dabei auch auf die Gewerkschaftsführungen stützen.
Hier einige der beim Volk verhassten Regierungsvorhaben:
Der gesetzliche Mindestlohn soll als Armutslohn festgeschrieben werden: 13,90 Euro pro Stunde ab 1. Januar 2026, für 2027 sind es 14,60 Euro (Wahlkampfversprechen der SPD: 15 Euro – gebrochen).
1,8 Mrd. Euro Investitionskürzungen bei den ohnehin finanziell und personell am Limit stehenden Krankenhäusern plant die Regierung. Und ihre Ohren sind offen für darüberhinausgehende Sparmaßnahmen. Die Anforderungen der Arbeitgeber: 50 Mrd. Euro Kürzung bei Krankenkassen und 10 Euro Zuzahlung für jeden Arztbesuch; höhere Zuzahlungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel und Krankenhausaufenthalte.
Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festgeschrieben werden, was die Anzahl der Armutsrentner noch vergrößert. Doch selbst das ist noch zu teuer, tönt es aus der CDU und die SPD verhandelt weiter.
Mit der Bürgergeld“reform“, zynisch neue Grundsicherung genannt, sollen die Ärmsten mit Sanktionen bestraft werden, die künftig schneller und härter greifen – bis hin zur Null-Unterstützung.
Große Summen steckt die Regierung in den staatlich subventionierte Industriestrompreis, der das Sterben vieler Unternehmen nicht verhindern, aber das Dahinsiechen verlängern wird. Die versprochene Senkung der Stromsteuer für ärmere Haushalte der Bevölkerungsmehrheit dagegen fällt vorerst aus.
Kriegsdienst als „Perspektive“ für die Jugend. Fehlende Finanzen und Lehrer für Hundertausende Schul- und Ausbildungsabbrecher. Marode Schulen, kein Platz für die Berufsausbildung – aber für Jugendliche, die sich „freiwillig“ melden, weil sie sonst keine Zukunft für sich sehen, gibt es den Köder eines monatlichen Grundgehalts von mindestens 2.000 Euro netto plus, Zuschläge und Zuschuss zu den Führerscheinkosten. Wenn die Mehrheit der Jugend sich dann immer noch nicht für das Töten und getötet werden an der Front verpflichten will, geht es als Kanonenfutter per Los an die Front.
In der Anzahl der Migranten hat Merz die Hauptverantwortlichen für fehlende Ärzte, Wohnungen, Schul- und Kitaplätze… ausgemacht. Deshalb: Mehr Grenzschließungen, Stopp von Aufnahmen, noch mehr Abschiebungen. Auch nach Syrien, kein Visum für Afghanen mit Aufnahmezusage.
Und jetzt hat Merz den ukrainischen Oligarchen Selenskyj aufgefordert, die Ausreise junger Männer aus der Ukraine nach Deutschland zu verhindern. Sie würden – so die Drohung von Merz – auch nur noch eingeschränkt Transferleistungen bekommen. Selenskyj wird diese Bestrafung von Kriegsdienstverweigerern sehr begrüßen.
75% der Bevölkerung sagen Nein zu Merz und seiner Regierungspolitik
Schüler rufen auf zum bundesweiten Aktionstag am 5. Dezember, zu Schulstreiks und Demonstrationen in ganz Deutschland gegen die Kriegsdienstpflicht, unterstützt von Gewerkschaften und Friedensinitiativen….
Zig-Tausende protestieren und demonstrieren gegen Kürzungen bei Sozialleistungen, Schulen und Universitäten, bei Sozial-, Jugend- und Kultureinrichtungen, ÖPNV, Infrastruktur….
Die Kaputtsparprogramme der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Kommunen „sind ein Konjunkturprogramm für die AfD“ (Darmstädter Echo), die sich demagogisch als „Oppositionspartei“ verkauft.
Im Tarifkampf wollen die Kollegen endlich Schluss machen mit zunehmendem Kaufkraftverlust – dafür kämpfen sie für die Verteidigung des Reallohns plus. Sieben Prozent mehr Lohn im Monat – mindestens aber 300 Euro zusätzlich, fordert ver.di für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten der Länder. In vielen Betrieben haben die Kollegen deutlich mehr gefordert. Im TdL-Tarifkampf geben sie ihre Antwort auf das Kaputtsparen des Öffentlichen Dienstes. „TVöD für alle“! bleibt die Forderung der Kollegen der Tochterbetriebe bei Vivantes in Berlin.
In den Krankenhäusern und bei den Bürgern wächst der Widerstand gegen die Militarisierung des Gesundheitswesens, für ein Sofortprogramm zur Rettung der zivilen Gesundheitsversorgung.
Wie eine Kraft aufbauen gegen Krieg – gegen den sozialen Krieg der Regierung?
Die Mitglieder des AGBSW, von denen viele als Vertrauensleute, Betriebsräte, Personalräte, ehren- und hauptamtliche Gewerkschafter und auch politisch aktiv sind, haben sich am 23. November zur bundesweiten Gründungsversammlung des AGBSW getroffen.
Sie schreiben in ihrem Aufruf an Arbeitnehmer, Gewerkschafter, Aktive in der Friedensbewegung:
„Man kann nicht den Sozialstaat verteidigen, ohne den Kampf gegen ihre Kriegspolitik aufzunehmen.“
„Unser Ziel ist es, eine politische Kraft aufzubauen, die sich für Frieden, soziale Gerechtigkeit, für die Verteidigung der Reallöhne, der Arbeitsplätze einsetzt.
Wir wollen mit Euch aktiv dafür eintreten, den Arbeitnehmern für die Vertretung ihrer Interessen eine politische Stimme zu geben.“ Leser der „Sozialen Politik & Demokratie“ greifen dafür ein, dass die Forderungen der arbeitenden Bevölkerung und Jugend eine Stimme durch das BSW erhalten.
Sie diskutieren in den Politischen Arbeitskreisen und unserer Zeitung, wie wir helfen können, eine politische Kraft zu schaffen gegen Sozialkahlschlag und Krieg!
Carla Boulboullé, 25. November 2025
Veröffentlicht in der Zeitschrift Soziale Politik & Demokratie Nr. 540 vom 28. November 2025